Mythen zu
„gentechnisch veränderten Pollen im Honig“:
10 Fragen an Gudrun Beckh

artikel

01.08.2018

Gudrun Beckh, Expertin für die Qualitätskontrolle von Honig, im Interview

1. Was sind gentechnisch veränderte Pollen?

Das sind Pollen von Pflanzen, die gentechnisch verändert wurden. Die Pflanzen sollen so zum Beispiel resistent gegen den Einsatz von bestimmten Pflanzenschutzmitteln werden, damit Herbizide und Insektizide großflächig eingesetzt werden können zum Beispiel zur Unkrautvernichtung oder Schädlingsbekämpfung.

2. Warum werden gentechnisch veränderte Pollen in der öffentlichen Diskussion in Bezug auf Honig thematisiert?

Das Thema gentechnisch veränderter Lebensmittel oder der Anbau von GV-Pflanzen wird insgesamt in Deutschland vom Verbraucher sehr sensibel gesehen. Honig wird als unverarbeitetes Naturprodukt häufig politisch genutzt, um auf das Thema generell aufmerksam zu machen.

3. Wie kommen gentechnisch veränderte Pollen eigentlich in den Honig?

Wie alle Pollen: die Bienen tragen die Pollen beim Nektarsammeln ein. Pollen sind folglich natürliche Bestandteile von Honig und dürfen auch nach der Richtlinie 2001/110/EG nicht entfernt werden.

Außerdem werden Pollen gehöselt. Das bedeutet, dass Bienen die Pollen als Eiweißquelle zur Aufzucht der Brut sammeln. Üblicherweise werden Brutraum und Honigraum getrennt, sodass diese Pollen beim Schleudern nicht in den Honig gelangen können. Es gibt aber auch hier Ausnahmen, wenn bei einer Imkerei landestypisch keine Trennung vorgesehen ist. Auch dadurch können dann noch zusätzlich zum Eintrag beim Nektarsammeln Pollen in den Honig gelangen, genauso bei Presshonig oder gestipptem Honig, wie zum Beispiel von Calluna-Tracht. Das ist aber nicht die Regel.

Die EU-Honigrichtlinie schreibt ein Maximum an wasserunlöslichen Stoffen von 0,1 Prozent vor. Bei Presshonig ist dieser Anteil bei 0,5 Prozent. Der überwiegende Anteil dieser wasserunlöslichen Stoffe sind die Pollen.

4. Wie können Sie im Labor gentechnisch veränderte Pollen im Honig feststellen?

Die DNA wird aus dem Sediment des Honigs extrahiert. Das Sediment besteht aus Pollen und anderen wasserunlöslichen Stoffen. Im nächsten Schritt wird die DNA über die sogenannte PCR (polymerase chain reaction) vervielfältigt, um auch sehr geringe Mengen DNA, beziehungsweise spezifische Abschnitte der DNA, gezielt nachweisen zu können. Anschließend werden in einem Screeningverfahren allgemeine Markerabschnitte von GV-Pflanzen-DNA gesucht und/oder spezifische Abschnitte von Pflanzenspezies, die durch das jeweilige Zulassungsverfahren offengelegt und bekannt sind, betrachtet.

5. Ab wann muss eine Kennzeichnung erfolgen?

Generell gilt für Lebensmittel, dass gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sowie Lebensmittel und Futtermittel, die aus GVO bestehen, diese enthalten oder daraus hergestellt werden, gekennzeichnet werden müssen. Das regelt Art. 4 der EU-Verordnung (EG) Nr. 1830/2003.

Von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind Produkte, die von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden und auch Lebensmittel, die zufällige oder technisch unvermeidbare Spuren von GVO oder daraus hergestelltem Material bis zu einem Anteil von höchstens 0,9 Prozent enthalten. In letzterem Fall müssen die betroffenen Unternehmer nachweisen, dass sie geeignete Schritte unternommen haben, um das Vorhandensein von Verunreinigungen mit GVO zu vermeiden.

Pollen sind ein natürlicher Bestandteil von Honig. Stammen die Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen, gilt dies also auch als „zufällige, technisch unvermeidbare“ Beimischung. Dementsprechend muss Honig mit Pollen von GV-Pflanzen nur gekennzeichnet werden, wenn ihr Anteil höher als 0,9 Prozent des Honigs ist.

6. Ist die Verbreitung von Honig, der gentechnisch veränderte Pollen enthält, in Deutschland und in der EU zulässig?

Ja, allerdings nur, wenn es sich bei den positiven Befunden um in der EU zugelassenen und registrierten GV-Pflanzen handelt. Wenn eine nicht zugelassene und registrierte GV-Pflanze positiv getestet würde, wäre der Honig nicht verkehrsfähig. Das kommt allerdings unserer Erfahrung nach so gut wie nie vor.

7. Kann der Honig „vom Imker nebenan“ ebenfalls gentechnisch veränderte Pollen enthalten?

Eher nein, da in Deutschland der kommerzielle Anbau von GV-Pflanzen nicht erlaubt ist. Allenfalls gibt es theoretisch zu Forschungszwecken sogenannte Freisetzungsversuche, die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit genehmigt werden müssen. Zwischen 1990 und 2015 wurden etwa 200 Freisetzungsanträge in Deutschland genehmigt, tatsächlich durchgeführt wurden in der Zeit 1200 Freisetzungen an 300 verschiedenen Standorten. Wenn die Imker dann in der Nähe solcher Versuchsfelder Bienenstöcke stehen hätten, dann könnten auch GV-Pollen eingetragen werden.

8. Ist es möglich, dass Honige, die den Grenzwert für die Kennzeichnungspflicht überschreiten, in Deutschland in den Handel kommen?

Es kann keinen Honig geben, der mehr als 0,9 Prozent Pollen enthält. Von Kritikern wird jedoch angemerkt:
Selbst im Falle der von Kritikern angemerkten Möglichkeit, dass die Bienen zu 100 Prozent Nektar von zum Beispiel gentechnisch verändertem Raps einsammeln würden, – was praktisch nicht möglich ist, da es keinen natürlichen Honig aus nur einer Nektarquelle gibt – wäre der Anteil an GV-Pollen immer noch kleiner als 0,1 Prozent.

9. Müssen Verbraucher aus Ihrer Sicht Bedenken beim Genuss von Honig haben?

Keinesfalls, da zum einen der Anteil der GV-Pollen so gering ist und zum anderen gesundheitliche Risiken beim Verzehr von GV-Pflanzen wissenschaftlich nicht belegt sind. In einer Studie zur Auswertung wissenschaftlicher Literatur aus den Jahren 2002 bis 2012 zur „Risikobewertung von GV-Pflanzen“ kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Ablehnung von GV-Pflanzen aus Sicherheitsgründen, zum Beispiel wegen eines gesundheitlichen Risikos, nicht haltbar ist.

10. In der Diskussion über GV-Pollen ist ein Argument, dass Menschen, die in Länder verreisen, in denen GV-Pflanzen angebaut werden, dort lediglich durch das Einatmen mit erheblich größeren Pollenmengen konfrontiert sind, als wenn sie Honig essen würden. Wie sehen Sie das aus wissenschaftlicher Sicht?

Einatmen dürfte meines Erachtens ein unwahrscheinliches Risiko sein. Viel wahrscheinlicher ist, dass man als Tourist Lebensmittel verzehrt, die aus GV-Pflanzen hergestellt werden oder Zutaten enthalten. Die Anbauflächen steigen weltweit vor allem für Mais, Soja, Raps, aber auch für Kartoffeln, Obst- und Gemüsesorten. Länder wie die USA, Brasilien, Argentinien, Kanada und Indien decken 95 Prozent des weltweiten GV-Pflanzenanbaus. Kein Mensch weiß, wenn er in diesen Ländern in einem Restaurant isst, was und wieviel davon aus GV-Pflanzen stammt. Damit nimmt man dann eventuell in zwei Wochen Urlaub ein Vielfaches mehr an GV-DNA auf, als vielleicht jemals im Leben durch Verzehr von Honig mit GV-Pollen.

 

ÜBER GUDRUN BECKH

Gudrun Beckh ist seit mehr als 30 Jahren Expertin für die Qualitätskontrolle von Honig und Bienenprodukten. Als Geschäftsführerin der QSI GmbH in Bremen und Vorsitzende der International Honey Commission unterstützt sie auch den Honig-Verband in allen Fragestellungen rund um das Thema Honig.

Foto: QSI GmbH